BY CHRISTOPH
GYSEL 24. JULI
2018
Die Freie Ferienrepublik Saas-Fee scheint ein Ort zu sein, wo verletzte
Seelen gesunden können. Die grossartige Natur. Die imposante Berg- und
Gletscherwelt. Die gesunde Luft. Sonne und Ruhe bieten ein ideales Umfeld
gerade auch für Burnoutpatienten.
Ein Pfarrer, den ich letzte Woche hier im Saastal traf, hat es mir
erneut bestätigt. Ein längerer Aufenthalt bei uns im Vorjahr, hätte ihm nach
einem Burneout sehr gut getan. Deshalb sei er nun ins Saas zurückgekehrt, um
den Urlaub hier zu verbringen. Und er ergänzte: „Ein wunderbares Tal,
wo verletzte Seelen gesunden können.“
Klar. Es gibt verletzte Seelen. Leider. Menschen, die sich verausgabt
haben, die Mobbing zum Opfer fielen oder sonst zu viel Schweres ertragen
mussten. Mein Pfarrfreund hatte es auch so erlebt. Als aus seinem engsten Kreis
plötzlich der haltlose Vorwurf kam, er unterschlage Geld, hat es ihm den Boden
unter den Füssen weggezogen. Er stürzte in ein tiefes Loch. Alles hatte er in
seinem Dienst gegeben. Ging in seinem Engagement bis an die Grenzen seiner
Kräfte. Und nun das. Er verstand die Welt nicht mehr. War blockiert. Konnte der
Arbeit kaum mehr nachgehen. Und da hat er den Stecker gezogen. Der Arzt hat ihn
krankgeschrieben. In Erholung geschickt. Die letzten Wochen war er dann eben im
Saastal. Und hat sich gut erholt.
Trotz der Tatsache, dass Menschen einander das Leben schwer machen,
einander auch tiefe Verletzungen zuführen können, ist ein schöner Gedanke, dass
das Saastal ein Ort sei, wo verletzte Seelen gesunden können. Es ist zu hoffen,
dass angeschlagene Menschen in diesem paradiesischen Tal nur auf liebenswürdige
Menschen treffen, damit die Heilung wirklich einen guten Verlauf nimmt.
Allerdings ist es kaum vorstellbar, dass es an so einem herrlichen Ort es
überhaupt andere Menschen gibt …?
Oder trifft die Feststellung von Friederich Schiller in seinem „Wilhelm
Tell“ allenfalls doch auch auf das paradiesische Saastal zu: „Es kann der
Frömmste nicht in Frieden Leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ ?
Christoph Gysel